Günther Jauch wirbt im bundesweiten TV für das E-Rezept und die Shop-Apotheke. Örtliche Apotheken sind darüber alles andere als begeistert.
Er gehört zu den beliebtesten Deutschen und überflügelt im Ranking selbst den Bundespräsidenten: Günther Jauch. Mit seiner Dauerbrenner-Rateshow macht er Quote - und als Werbepartner für eine Online-Apotheke ist er derzeit im Kopf vieler TV-Zuschauer. Örtliche Apotheken in Gera sind dagegen von diesem Auftritt des beliebten Showmasters wenig begeistert. Im Gegenteil: Er stößt ihnen bitter auf.
„Bei dem Spot wird den Menschen suggeriert, dass man einzig und allein in der Online-Apotheke E-Rezepte einlösen kann“, erklärt dazu Sandra Diezel, Vertrauensapothekerin für den Notdienst-Kreis Gera. Sie selbst hat bereits die fatale Werbe-Wirkung erlebt: „Zum E-Rezept wurde ich von jemandem ganz überrascht angesprochen, nach dem Motto: Was, das funktioniert auch in der hiesigen Apotheke?“ erzählt sie im Gespräch mit dieser Redaktion.
Natürlich lasse sich ein elektronisches Rezept für Arznei- oder Heilmittel, kurz E-Rezept, auch in einer Apotheke vor Ort einlösen, stellt die Geraerin klar und möchte den falschen Eindruck korrigieren. Für den Einsatz gebe es für Patienten verschiedene Wege, entweder über Smartphone und per App oder mit der Gesundheitskarte vor Ort. Im Apothekenalltag würde insbesondere Letzteres genutzt. „Gerade viele unserer Senioren sind darin schon Profis“, schildert die Apothekerin. Aufklärungsbedarf zum medialen Auftritt sieht die Apothekerin vor allem bei jenen Menschen, die keine Dauermedikation, sondern nur gelegentlich etwas aus der Apotheke brauchen. „Etliche von ihnen kommen erstmals mit einem E-Rezept und sind erst einmal ratlos, wie das funktioniert“, so Diezel. Deshalb möchte sie auch appellieren, in den Apotheken vor Ort zu bleiben, auch, weil jene zu solchen Fragen beraten können.
Prinzipiell findet Sandra Diezel das E-Rezept gut, auch, weil es dem Patienten durchaus Abholwege ersparen kann. Mehr und mehr löse die E-Variante das klassische Rezept ab. Wie hoch allerdings der Anteil derzeit im Vergleich zu den Papier-Rezepten täglich in ihrer Linden-Apotheke in Gera Langenberg ist, kann Diezel nicht sofort eindeutig beantworten. „Der Vergleich fällt insofern schwer, weil auf dem roten Rezept mitunter ein bis drei Medikamente stehen, währenddessen im E-Rezept jedes Medikament einzeln aufgeführt ist“, führt sie aus. Mehrheitlich sei man umgestiegen, bestimmte Praxen würden aber nach wie vor ein Papierrezept ausstellen, weiß sie aus dem Alltag. Ein Grund dafür könnte in Software-Problemen liegen, vermutet sie. „Denn sonst hätten das E-Rezept sämtliche Praxen.“
„Allerdings erkennt der Patient nicht mehr auf den ersten Blick, was er verordnet bekommen hat“, nennt die Apothekerin einen Nachteil. „Er überreicht uns nur noch seine Gesundheitskarte. Wir lesen diese ein, sehen die Medikamente, geben sie aus und sprechen mit dem Patienten. Mitunter passiert es aber, dass der Arzt das E-Rezept noch nicht freigegeben hat. In diesem Fall ist für uns nichts auf der Gesundheitskarte gespeichert. Meistens lässt sich das Problem mit einem Telefonat mit der Praxis lösen. Im schlimmsten Fall jedoch müssen wir den Patienten wegschicken und ihn bitten, später noch einmal zu kommen. Bei akuten Fällen ist das nicht schön“, schildert Diezel.
Nicht nur bei e-Rezepten sieht sie die örtlichen Apotheken mit ihrem Fachpersonal im Vorteil. Gerade auch auf Neuverordnungen und eventuelle Wechselwirkungen mit bereits vorhandenen Medikamenten könne eine Filiale vor Ort viel besser eingehen, Dinge hinterfragen, den Patienten beraten. Genauso, wie sie sich um Alternativen bei eventuellen Lieferengpässen kümmern könne. „Eine solche Patientensicherheit kann nur eine Apotheke vor Ort leisten. Zudem darf man bei allem nicht vergessen: Es geht hier um Arzneimittel, nicht um Backzutaten oder irgendwelche lapidare Dinge.“ Nach Sandra Diezels Auskunft ist auch der Thüringer Apothekerverband dran und bemüht, das durch die Promi-Werbung falsch entstandene Bild geradezurücken.
Von Christiane Kneisel Quelle: OTZ